Jan-Uwe Ness, Dissertation, Fachbereich Physik der Universität Hamburg, 2002

"High-resolution X-ray plasma diagnostics of stellar coronae"


Schlagwörter: Investigation of stellar activity

PACS: 97.90


Summary

Kurzfassung

Mit der Entdeckung der Sonnenflecken im 17. Jahrhundert wurde ein neues Arbeitsfeld der Astronomie eröffnet. Der physikalische Ursprung dieser dunklen Flecken auf der Sonnenoberfläche ist aufs Engste mit starken magnetischen Feldern verknüpft. Als weiteres spektakuläres Phänomen ist die Korona der Sonne zu nennen, die sich in den äussersten Schichten der Sonne befindet. Die extrem hohe Temperatur verbunden mit einer sehr geringen Dichte wirft eine Menge Fragen auf, und auch hier spielt die magnetische Aktivität eine fundamentale Rolle. In der vorliegenden Arbeit wird eine Einführung in eine lange Tradition von Beobachtungen der Korona der Sonne, insbesondere im Röntgenspektralbereich, gegeben. Angefangen mit erdgebundenen Beobachtungen der sichtbaren Korona, über Spektraluntersuchungen im Röntgenbereich, bis hin zu eindrucksvollen Bildern mit hoher räumlicher Auflösung, wird ein Überblick über die Geschichte der Untersuchung der Sonnenkorona gegeben. Es hat sich gezeigt, dass das koronale Plasma hoch strukturiert und in bogenartigen Strukturen komprimiert ist, die grosse Ähnlichkeit mit geschlossenen Magnetfeldlinien haben.

Weitaus schwieriger ist die Untersuchung stellarer Koronen, die sich als räumlich nicht auflösbare Röntgenquellen präsentieren. Von den Röntgenmissionen Einstein und ROSAT weiss man, dass die Entstehung von Koronen ein natürlicher Prozess sein muss, der immer am Übergang zwischen der Photosphäre später Sterne und dem Weltraum auftritt. Eine Klassifikation von Röntgenquellen, die Röntgeneigenschaften mit fundamentalen stellaren Parametern ähnlich einem Hertzsprung-Russell Diagramm verknuepft, wäre sehr wuenschenswert, jedoch wurde bisher nur ein Zusammenhang zwischen der Rotationsperiode und der Röntgenleuchtkraft gefunden.

Neue Horizonte eröffnen sich mit den neuen Röntgenmissionen CHANDRA und XMM, mit denen hochaufgelöste Röntgenspektroskopie möglich ist. Die Emissionslinien, die man mit diesen Teleskopen messen kann, werden in der vorliegenden Arbeit zur Herleitung physikalischer Eigenschaften der Koronen von Capella, Algol und Procyon verwendet. Vier weitere Sterne werden analysiert, jedoch weniger detailliert. Eine spezielle Software ist im Rahmen dieses Projektes entstanden, und der Algorithmus ist speziell für die Analyse von CHANDRA LETGS Spektren ausgelegt, ist jedoch hinreichend allgemein, dass er für alle möglichen Arten von Spektren mit niedrigen Zählraten nützlich sein sollte wie z. B. XMM-RGS Daten.

Eine Voranalyse der Spektren ergibt eine Verteilung unterschiedlicher Plasmaschichten, z. B. verschiedener Temperaturen. Zumindest eine heiße und eine kühlere Komponente sind für die aktiven Sterne Algol und Capella gefunden worden, nicht jedoch z. B. für den inaktiven Stern Procyon, der nur kühles Material zu haben scheint. Effekte optischer Tiefen wurden untersucht und können als vernachlässigbar angesehen werden. Das Kontinuum des Spektrums von Algol wurde untersucht und stimmt sehr gut mit einem Bremsstrahlungsspektrum überein. Aus diesem Fit wurde die höchste Temperatur und ein Emissionsmass hergeleitet.

Das Hauptaugenmerk der vorliegenden Arbeit liegt auf Dichtemessungen mit Hilfe der He-artigen Tripletts. Koronale Plasmen der Sterne Capella, Procyon, Algol, Eps Eri, Alp Cen A und B und UX Ari wurden mit dieser Methode untersucht. Für diese sieben Sterne habe ich im Wesentlichen Dichten gefunden, die am unteren Rand des Sensitivitätsbereiches der He-artigen Tripletts liegen. Fuer Algol ergeben sich höhere Dichten, dieses Ergebnis kann jedoch auch von der Stärke des Einflusses des UV Strahlungsfeldes, das vom benachbarten B Stern ausgesandt wird, abhaengen. Es wurde kein überzeugender Trend gefunden, der den Schluß zuließe, dass aktive Sterne höhere Dichten aufweisen, es ist jedoch bemerkenswert, dass die aktiven Sterne, bei denen ich niedrige Dichten gemessen habe, alle so genannte RS CVn Systeme sind, Doppelsterne, in denen beide Komponenten eine heiße Korona besitzen koennen. Wechselwirkungen zwischen diesen beiden Koronen sind durchaus denkbar. Sehr viel überzeugender stellt sich der Trend dar, dass aktive Sterne eine heiße Komponente besitzen, während die inaktiven Sterne nur eine "kühle" Komponente mit Plasmatemperaturen um 2 MK haben.

Die niedrigen Dichten können verwendet werden, um einschränkende Aussagen über strukturelle Aspekte wie z. B. die Loopskalenlänge oder Füllfaktoren treffen zu koennen. Diese Informationen versetzen uns in die Lage, stellare Koronen mit der Sonne sowie miteinander zu vergleichen. Die Dichten, die man für die Sonnenkorona gemessen hat, sind vergleichbar mit den Dichten, die ich in der vorliegenden Arbeit für inaktive Sterne gemessen habe. Die Loopskalenlängen können demnach ähnlich denen der Sonne sein, so dass diese Koronen mit der der Sonne vergleichbar sein können. Ein ganz anderes Bild muss für die aktiven Sterne gemacht werden, die ein viel grösseres Emissionsmass "unterbringen" müssen. Dies kann in Strukturen, die mit denen in der Sonne vergleichbar sind, aber mit höheren Dichten geschehen oder in viel größeren Strukturen mit dann vergleichbaren Dichten, bzw. höheren Füllfaktoren. Die Koronen, die sich auf nur einen Stern beschränken, wie z. B. im Algolsystem, scheinen eher die erste Option zu wählen, während bei den RS CVn Systemen eine Art Doppelkorona entstehen kann, die sehr grosse Volumina mit geringen Dichten ausfüllt. Diese beiden moeglichen Konfigurationen sollten jedenfalls mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt werden.

Titel

Kurzfassung

Summary

With the discovery of sunspots in the 17-th century a new field of work in Astronomy was opened. The physical origin of these dark spots on the solar surface has been found to be tightly connected with the presence of strong magnetic fields. Another spectacular phenomenon is the solar corona, the outermost region of the Sun. The high temperature found in the corona in connection with a very low density has posed a lot of questions. Again, the magnetic activity of the Sun seems to play a fundamental role in controlling the processes observed in the solar corona. An introduction for a long tradition of observing the solar corona especially in the X-ray wavelength band is given in this work. Starting with earth-bound observations of the visible corona, and proceeding with spectral diagnostics, impressive pictures with high spatial resolution are presented. A detailed structure with the distribution of the coronal plasma, obviously confined to loop-like structures following closed magnetic field lines, is seen on these pictures.

As a far more difficult task, the observation of stellar coronae, which are not spatially resolvable, is introduced. >From X-ray observations carried out with the satellites Einstein and ROSAT it is known that the formation of coronae must be a common phenomenon in all late-type stars that occurs at the transition from a cool star's photosphere to space. A classification of X-ray properties similar to a Hertzsprung-Russell diagram connecting X-ray emission with fundamental stellar parameters is desirable, but only the rotation of cool stars has so far been found to be connected with X-ray emission.

New approaches can be made using the recent X-ray missions Chandra and XMM, which allow high spectral resolution. The emission lines observable with these missions are used for deriving physical properties of the coronae of Capella, Algol, and Procyon. Four more cool stars are analyzed, but in less detail. A special software has been developed in the frame of this work, the algorithm being especially dedicated to Chandra LETGS spectra, but also useful for all kinds of spectral data, e.g., XMM-RGS.

Preliminary analysis of the spectra yields a distribution of plasma layers with different properties, e.g., temperatures. At least a high temperature and a low temperature component is found for the active stars Algol and Capella, but not for the inactive star Procyon. Optical depth effects seem to be negligible, such that the basic assumption of an optically thin plasma is justified at least within the scope of the current data. The continuum of Algol's coronal X-ray spectrum can be fitted by a bremsstrahlung continuum, and an upper temperature as well as an emission measure are derived from the analysis of the continuum.

The main focus of this work is the application of the method of He-like triplets for deriving plasma densities. The coronal plasmas for Capella, Procyon, Algol, Eps Eri, Alph Cen A and B, and UX Ari are probed. I generally find low densities for most of these seven stars and higher densities only for Eps Eri and Algol. For Algol this result depends, however, on the influence of the UV radiation field emitted by the B star companion. No convincing trend could be found allowing the general conclusion of higher densities in more active stars. It is noteworthy, however, that active stars with lower densities as e.g., Capella are all RS CVn systems, i.e., binaries comprising two cool stars, possibly each of them sustaining a hot corona. An interaction between these two coronae is well conceivable. Quite convincing though is the trend of the presence of hot plasma in the more active stars, while inactive stars only have a "cool" component around 2 MK.

At low densities constraints on parameters connected with structural information as, e.g., the loop scale length or filling factors can be made. That information enables us to compare stellar coronae with the solar corona. The densities measured for the solar corona are comparable with densities measured in inactive stars. Loop scale lengths can therefore be assumed to be very similar to the Sun, such that the structural properties of these coronae are likely the same as observed for the Sun. A different picture must be drawn for the more active stars, which have to accommodate the higher emission measure either in structures with similar sizes but higher densities, or they are characterized by a plasma distribution with higher filling factors. An isolated active corona as, e.g., in the Algol system seems to prefer the first option, while RS CVn systems can well harbor a binary corona with a large volume and low densities. Therefore these two configurations must be treated differently.